Republikanismus

Republikanismus
Re|pu|bli|ka|nịs|mus 〈m.; -; unz.〉 Streben nach einer republikanischen Staatsform
Die Buchstabenfolge re|pu|bl... kann in Fremdwörtern auch re|pub|l... getrennt werden.

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Republikanịsmus
 
der, -, politische Richtung, die auf der Basis der Volkssouveränität für liberale und demokratische Ideen eintritt, in Europa und den USA getragen von Parteien, die aus der Frontstellung gegen Monarchien hervorgegangen sind und zunächst als Teile der bürgerlichen Verfassungsbewegung fungierten. Nach der Durchsetzung der republikanischen Staatsform (zum Teil auch schon vor Erreichen dieses Ziels) erhielten sie Konkurrenz von »moderneren« Parteien, v. a. den sozialistischen, die die spezifischen Ziele der republikanischen Bewegung übernahmen, und verloren dadurch an Boden. In einigen Ländern konnten sie sich zu Volksparteien der rechten Mitte weiterentwickeln.
 
In Afrika und Asien formierten sich im Zuge der Entkolonialisierung in vielen Gebieten republikanischer Kräfte gegen die jeweilige Kolonialmacht, aber auch gegen die einheimische Aristokratie.
 
In den USA fand der Republikanismus im Zuge der Unabhängigkeitsbewegung des 18. Jahrhunderts Eingang in das politische Denken; im Parteiensystem repräsentiert von der Demokratischen Partei, deren Name an die direkt-demokratische, partikularistische Tradition erinnert, und der Republikanischen Partei, deren Name die repräsentativ-demokratische, unionistische Linie betont und in Gegnerschaft zur Sklaverei ein entschlossenes Bekenntnis zu den allgemeinen Menschenrechten zum Ausdruck bringt.
 
In Frankreich wuchs die republikanische Bewegung, die 1792 den Sturz des Königtums herbeiführte, dann aber dem napoleonischen Kaisertum weichen musste und in der Zweiten Republik (1848) nur kurz an der Regierung beteiligt war, unter Napoleon III. rasch an. 1870 riefen republikanische Abgeordnete (L. Gambetta) die Dritte Republik aus; eine Mehrheit in der Kammer errangen sie jedoch erst 1879. In den 1880er-Jahren spalteten sich die Republikaner in gemäßigte und radikale Gruppierungen. Letztere bildeten 1901 die Radikalsozialistische Partei (Radikalsozialisten). Rechts von ihnen entstand 1911 der Parti Républicain Socialiste. Die gemäßigten Republikaner errangen 1919 mit dem Bloc national einen großen Wahlsieg und stellten in der Zwischenkriegszeit bedeutende Politiker (u. a. R. Poincaré, A. Tardieu, P. Reynaud). Nach dem Zweiten Weltkrieg sammelten sich die meisten gemäßigten Republikaner im Centre National des Indépendants et Paysans (CNIP, gegründet 1949 als Centre National des Indépendants), einer der großen bürgerlichen Parteien der Vierten Republik. Einen Teil ihrer Abgeordneten schloss V. Giscard d'Estaing 1962 in einer Fraktion der Républicains Indépendants zusammen, die den Staatspräsidenten C. de Gaulle unterstützte. 1966 entstand daraus der Parti Républicain.
 
In Italien entstand unter französischem Einfluss seit 1797 eine republikanische Bewegung. Nach 1815 erfuhr der republikanische Gedanke erneut Auftrieb, v. a. unter Führung G. Mazzinis (Giovine Italia). Nach der Revolution von 1848 schloss sich G. Garibaldi, ein Anhänger Mazzinis und Führer von Freiwilligenkorps in der italienischen Nationalbewegung, jedoch bedingt der Monarchie an. In der italienischen Kammer bildete sich eine kleine republikanische Fraktion; 1895 konstituierte sich der Partito Repubblicano Italiano (PRI). Getragen von den Sozialisten aller Richtungen, dem PRI und der republikanisch orientierten Aktionspartei (Partito d'Azione), gewann die republikanische Bewegung im Zweiten Weltkrieg an Boden und setzte eine Volksabstimmung (2. 6. 1946) durch, die sich mehrheitlich für die Umwandlung des italienischen Staates in eine Republik aussprach. Mit Ausnahme der Gruppierungen der äußersten Rechten vertreten alle politischen Kräfte den republikanischen Gedanken.
 
In Portugal war v. a. der Partido Republicano Português (PRP), gegründet 1876 gegen die katholisch bestimmte Monarchie, die politische Plattform der v. a. vom portugiesischen Freimaurertum getragenen republikanischen Bewegung. Gestützt besonders auf den Geheimbund »Carbonaria«, konnte sie 1910 die Monarchie in Portugal stürzen. Bis zum Militärputsch (28. 5. 1926, der in der Folgezeit zur Diktatur A. de Oliveira Salazars (bis 1974) führte, war der PRP die führende Partei in Portugal.
 
In Spanien konstituierte sich in den 1840er-Jahren der republikanisch orientierte Partido Democrático. Nach dem Sturz Königin Isabellas II. (1868) gewann der Republikanismus stark an Boden. Unter dem Vorsitzenden Francisco Pi y Margall (* 1824, ✝ 1901) gewann der Partido Republicano Democrático (gegründet 1868) im Frühjahr 1873 die absolute Mehrheit bei den Wahlen zu den Cortes, die die Republik ausriefen. Nach der Restauration der Monarchie (1874) unterdrückten die Regierungen den Republikanismus, der sich in den folgenden Jahrzehnten in viele Organisationen spaltete. Zugleich entwickelten sich innerhalb der republikanischen Bewegung zahlreiche regionalistische Richtungen. Seit Mitte der 1920er-Jahre erhielt der immer noch stark zersplitterte Republikanismus großen Auftrieb und erreichte zusammen mit den Sozialisten aller Richtungen 1931 die Ausrufung der 2. Republik. Neben der Derecha Liberal Republicana (»Liberal-Republikanische Rechte«, gegründet 1930; N. Alcalá Zamora y Torres) formierte sich 1934 die Izquierda Republicana (»Republikanische Linke«; M. Azaña y Díaz). Mit der Errichtung der Diktatur des Generals F. Franco Bahamonde (1939) gingen die Republikaner ins Exil, konnten auch nach der Rückkehr Spaniens zu demokratischen Strukturen (seit 1976) keine Bedeutung erringen.
 
In der Türkei schuf M. Kemal Atatürk 1923 als politische Basis seines an liberalen und republikanischen Ideen Europas orientierten Reformbemühens die Republikanische Volkspartei. Als Trägerin des Kemalismus spielte sie in dem sich formierenden und von den osmanischen Traditionen abwendenden türkischen Staat eine zentrale Rolle. Führende Politiker: İ. İnönü, B. Ecevit.
 
 
A. Hanschmidt: Republikanisch-demokrat. Internationalismus im 19. Jh. (1977);
 P. Higonnet: Sister republics. The origins of French and American republicanism (Cambridge, Mass., 1988);
 
Republiken u. R. im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. H. G. Koenigsberger u. a. (1988).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Amerikanische Revolution (1776 bis 1783): Das Streben nach Glück
 

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Re|pu|bli|ka|nịs|mus, der; - (veraltend): das Eintreten für die Republik als Staatsform.

Universal-Lexikon. 2012.

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